Hitlerwetter by Tillmann Bendikowski

Hitlerwetter by Tillmann Bendikowski

Autor:Tillmann Bendikowski
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: C.Bertelsmann Verlag
veröffentlicht: 2022-02-14T08:01:36+00:00


Karnevalesker Umzug durch die Hamburger Innenstadt – Männer in »Ordenstracht« samt Schwertern und Hakenkreuzen.

Im großen Stil wird auch das Ende des Reichstreffens inszeniert: mit einem gewaltigen Feuerwerk auf der Alster. Im abendlichen Hamburg klingt das allerdings nach drei fröhlichen Tagen verdächtig nach Krieg. So heißt es in der Beschreibung des Spektakels:655

»Es wird ein Feuerwerk mit Funken und Farben, ein Feuerwerk, das aber auch Mumm hat, Murr in den Knochen, in dem die Böller einen Höllenlärm in den Himmel speien, so daß das Pflaster zittert und die Laternenpfähle weich in den Knien werden. Das Feuerwerksschauspiel beginnt mit einem Salut von schweren Knallgranaten, der mit rollenden Knallschlägen und einem Schrapnellfeuer endet. Kaum ist der letzte Schuß verhallt, da steigen unzählige Feuersirenen auf, die einen Höllenlärm verursachen.«

Zum guten Schluss »steigen Bomben auf, aus denen an Fallschirmen unzählige Hakenkreuzflaggen niederfallen«, die von der Alster aus angestrahlt werden. Ob nun ein Nachthimmel mit Hakenkreuzfahnen an Fallschirmen wirklich ein Symbol für eine glückliche und friedliche Zukunft ist, mag nun doch dahingestellt sein …

Das Feuerwerk ist auch vom Hamburger Hafen aus gut zu sehen, wo die Ehrengäste der »Robert Ley« an diesem Abend fraglos erschöpft und müde in ihre Kabinen zurückkehren. Das Schiff selbst ist eine Attraktion an der Überseebrücke, viele Hamburger und Besucher werfen an diesem Wochenende einen Blick auf das Flaggschiff der sogenannten »Weißen Flotte«. Diese ist das KdF-Werbemittel schlechthin: Der »deutsche Arbeiter«, so wird in den Berichten vermittelt, kann sich endlich eine Reise über die Weltmeere leisten. Die meisten dafür anfangs gecharterten Schiffe sind zwar ältere, kleinere und wenig komfortable Dampfer, aber im Mittelpunkt der Berichterstattung stehen schließlich die vier angekauften Schiffe und allen voran die beiden großen Neubauten: die »Wilhelm Gustloff« und die »Robert Ley«. Diese beiden KdF-Schiffe kennen baulich keine unterschiedlichen Fahrgastklassen, alle Passagiere sollen gleichermaßen in den Genuss eines gewissen Luxus samt Theater- und Musiksaal, Sonnendecks, Leseräumen, Fotoatelier und Frisiersalon kommen. Es gibt Animation und Musik, notfalls auch einen Arzt und Zahnarzt an Bord.656 Aber auch bei diesen Schiffen müssen sich immerhin bis zu 1 600 Passagiere 40 Badezimmer und 100 Duschen teilen.657

Der Tagesablauf an Bord ist während der Fahrten sorgsam geregelt, während einer Italien-Fahrt im Frühjahr 1939 bedeutet dies beispielsweise: »Wecken« um 6.20 Uhr, anschließend »Frühsport auf dem Sportdeck«. Die Essenszeiten sind festgelegt, ebenso die »allgemeine Schiffsruhe« zwischen 13.30 und 15.30 Uhr sowie der »Musikschluss« um 23.15 Uhr und die verordnete »Ruhe an Bord« um Mitternacht. Zudem stehen Vorträge und Ausflüge auf dem Programm.658 Das ist der Rahmen für einen Urlaub in der »Gemeinschaft«, und »Gemeinschaft« heißt eben auf so einem Schiff, dass der Reisende im Prinzip nie allein ist, also nicht einfach die Tür hinter sich zumachen kann, um seine Ruhe und seinen Frieden zu genießen. »Volksgenossen individualistischer Prägung«, so räumt ganz in diesem Sinne eine Zeitung freimütig ein, zwingen die vollends durchgeplanten Tage an Bord fraglos zu einer persönlichen Umstellung ihrer Gewohnheiten, denn sie »sollen aufstehen nach Signal« und auch »nicht mehr essen, wann es ihnen passt«, sondern wenn die Bordgemeinschaft es von ihnen verlangt.659 Aber daran, so der offizielle Trost, gewöhne man sich schnell – und das sei ja auch gut so.



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